Das Mahnmal
Im Osten des Heger Friedhofes befindet sich inmitten der Ehrenfelder für Tote des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft die „Gedenkstätte der verstorbenen Kinder der Zwangsarbeiterinnen 1942 – 1946“.
2016 entdeckten die Friedhofsmitarbeiterinnen Anika Groskurt und Petra Joachimmeyer im Archiv des Heger Friedhofes zufällig 108 Karteikarten mit Namen verstorbener Kinder von Zwangsarbeiterinnen, die im „Gemeinschaftslager Süd III“, auch bekannt als „Lager Fernblick“ zur Welt gekommen und in vielen Fällen nur wenige Tage alt geworden waren. Die Karteikarten enthielten lediglich die Namen, Angaben zu den Todesumständen und zu den Bestattungsorten der Kinder auf dem Friedhof. Die Gräber waren zu diesem Zeitpunkt längst aufgelöst worden, weshalb Groskurt und Joachimmeyer beschlossen, eine zentrale Gedenkanlage zu errichten. Gemeinsam mit Osnabrücker Schülerinnen und Schülern, ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern sowie Spenderinnen und Spendern konnte das Projekt realisiert und die Gedenkstätte am 21. September 2018 eingeweiht werden. Im März 2020 ergänzte der Sozialverband Deutschland die Gedenkstätte um einen „Erzählstein“, auf dem Schülerinnen und Schüler der Wallenhorster Alexanderschule die Geschichte der jüngsten Opfer des NS-Regime erzählen und mahnen, dass „solch eine Missetat nie wieder geschehe“.
Die von Blumen und Büschen umgebenen Sandsteinstelen der Gedenkstätte stehen einige Meter abseits des Weges. Friedhofsbesuchende können sich ihnen über eine Reihe von Trittsteinen nähern. In die Stelen sind die 108 Kinder verewigt, deren Karteikarten im Archiv des Heger Friedhofs erhalten geblieben sind. Einige dieser Neugeborenen verstarben so kurz nach ihrer Geburt, dass sie nicht einmal einen Namen erhielten: So erinnern die Stelen auch an Babys, die lediglich als „Kind“ oder „Knabe“ in die Karteikarten eingetragen worden waren.
Die verstorbenen Kinder von Zwangsarbeiterinnen im "Lager Fernblick“
Teil des 1942 errichteten „Gemeinschaftslagers Süd III“ – auch „Lager Fernblick genannt“ – im heutigen Ortsteil Berningshöhe war das „Entbindungsheim für schwanger gewordene Ausländerinnen“, die bisher einzige nachgewiesene Geburtenbaracke dieser Art.
Bis 1942 schickte das NS-Regime schwanger gewordene Zwangsarbeiterinnen aus dem Ausland zurück in ihre Heimat, wo sie entbinden und dann wieder zur Arbeit ins Reich zurücktransportiert werden sollten. Diese von den Behörden als „legale Fluchtmittel“ angesehenen „Rückführungen“ wurden Ende 1942 gestoppt. Danach mussten die Zwangsarbeiterinnen ihre Kinder in den Lagern zur Welt bringen und danach direkt an die Arbeit zurückkehren. Weder sie noch ihre Neugeborenen erhielten eine ausreichende medizinische Versorgung. Aufgrund der systematischen Vernachlässigung der Babys verstarben viele von ihnen bereits kurz nach der Geburt. Versorgung der Kinder, die länger überlebten, mussten die Mütter selbst aufkommen; sie erhielten bis zu ihrem dritten Lebensjahr lediglich einen halben Liter Milch täglich und waren damit chronischer Mangelernährung ausgesetzt.
Schwangere Zwangsarbeiterinnen in der Stadt und der unmittelbaren Umgebung von Osnabrück wurden in die Geburtenbaracke des „Lagers Fernblick“ eingewiesen. Zwischen 1943 und 1945 wurden hier 312 Kinder geboren. 42 von ihnen verstarben direkt nach der Geburt im Lager: 8 im Jahr 1943, 27 im Jahr 1944 und 7 im Jahr 1945. Als Todesursachen nannten die Behörden „Lebensschwäche“, „Herzkrämpfe“, „Ernährungsstörung“, „Auszehrung“ oder „Lungenentzündung“. 37 weitere Kinder fielen nachweislich der systematischen Vernachlässigung in den Stammlagern oder an den Arbeitsstätten ihrer Mütter zum Opfer, wobei es gerade für die Kinder von Zwangsarbeiterinnen, die außerhalb Osnabrücks untergebracht waren, etwa in Melle, Bersenbrück und Wittlage, eine noch nicht näher zu beziffernde Dunkelziffer an im „Lager Fernblick“ geborenen und kurz darauf verstorbenen Kindern gibt.