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Denkmal für das ehemalige „Judenhaus“

Aus dem Audiowalk In Stein Gemeißelt | Osnabrück

In Stein Gemeißelt
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Denkmal für das ehemalige „Judenhaus“

Gedenktafel für “Judenhaus” in der Weender Landstraße

Ein Parkplatz als Erinnerungsort
An das ehemalige jüdische Gemeindehaus und Altenheim an der Weender Landstraße erinnert heute eine Gedenkstele. Sie befindet sich auf einem Parkplatz der Universität Göttingen. Die Göttinger Stadtverwaltung und die Gestapo missbrauchten das jüdische Gemeindehaus ab 1940 für die Zwangseinweisung und Unterdrückung von Göttinger Jüd:innen und Juden.

Auf zwei schlichten Metalltafeln zeigt die Stele ein Bild des Gebäudes und einen kurzen Informationstext über dessen Geschichte. Das Gebäude wurde 1891 von der Gauß-Weber-Loge errichtet. Bei der Loge handelte es sich um eine von angesehenen Göttinger Bürgern gegründeter Verein mit sozialer Zielsetzung. 1934 erwarb die jüdische Gemeinde das Gebäude, nachdem das NS-Regime alle Logen in Deutschland aufgelöst hatte.

Die der Universität zugewandte Seite der Tafel nennt die Namen der 42 Bewohner:innen, die hier ab 1940 ausgegrenzt wurden, indem sie getrennt vom Rest der Göttinger Gesellschaft leben mussten. Die Mehrheit der jüdischen Göttinger:innen wurden im Jahre 1942 in Vernichtungslager wie Theresienstadt gebracht und ermordet. Nur zwei überlebten und kehrten 1945 nach Göttingen zurück.

Nach dem Krieg blieb das ehemalige „Judenhaus“ zunächst Gegenstand eines komplexen Rechtsstreits zwischen der Stadt, der jüdischen Gemeinde und der Gauß-Weber-Loge. Schließlich musste die Stadt Göttingen es der Gauß-Weber-Loge überlassen. Nachdem das Gebäude 1968 zugunsten eines Parkplatzes der Universität Göttingen abgerissen wurde, kritisierten Historiker:innen ab den 1990er Jahren zunehmend das fehlende Gedenken an die Verfolgung Göttinger Jüd:innen an diesem Ort.

Um diese „Leerstelle“ aufzuarbeiten, setzte sich eine Initiative der Göttinger Geschichtsstudierenden Eva Klay, Eric Angermann, Jennifer Stümpel, Jan Oestreich, Julia Kopp und Tobias Trutz im Rahmen eines Geschichtsseminars von Prof. Dr. Dirk Schumann für die Errichtung des heutigen Denkmals ein. Die Einweihung erfolgte am 6. November 2016 in Kooperation mit der Stadt Göttingen und der Georg-August-Universität Göttingen. Die Stele soll Passant:innen zum Gedenken an das Judenhaus anregen und als Mahnmal für die Taten der Gestapo und der Göttinger Stadtverwaltung in der Zeit des Nationalsozialismus dienen.

“Judenhäuser” in Göttingen

Deutschlandweit mussten Jüd:innen ab 1939 ihre Wohnungen verlassen, um in sogenannte „Judenhäuser“ zu ziehen. Sie dienten als Sammelort jüdischer Menschen, an dem sie überwacht und von dem aus sie in Ghettos, Arbeits- und Vernichtungslager deportiert wurden. Rechtliche Grundlage bildete das „Gesetz über die Mietverhältnisse mit Juden“ von 1939. Dieses hob den Mietschutz jüdischer Menschen auf und erwirkte ihre örtliche Konzentration.

In Göttingen gab es neun „Judenhäuser“. Mit 42 Bewohner:innen war das jüdische Altersheim das größte. Die jüdische Gemeinde erwarb das Gebäude 1934 von der Gauß-Weber-Loge. Die Loge erbaute es 1891 und nutzte es bis zur vom NS-Regime erzwungenen Selbstauflösung. Im Jahr 1940 plante die jüdische Gemeinde das Haus zum Altenheim umzuwidmen, was die Stadtverwaltung unterstützte, da sie so die meist älteren jüdischen Bewohner:innen leichter zur Umsiedlung zwingen konnten.

Obwohl das Gesetz die erzwungene Umsiedlung von jüdischen Menschen ermöglichte, beschränkte sich die Wohnungsbehörde Göttingens zunächst auf vermeintlich „freiwillige“ Umzüge. Diese sind jedoch kritisch zu betrachten, da die jüdische Bevölkerung durch legalen Druck vielfach in finanzielle Notlage gebracht wurde. Der Verkauf ihrer Häuser war oftmals eine Möglichkeit diese zu lösen. Auch verspürten viele jüdische Personen in Göttingen infolge der Novemberpogrome den Wunsch, Deutschland zu verlassen. Im Herbst 1940 ging die Kriminalpolizei dazu über, die Häuser der jüdischen Bevölkerung zu untersuchen.

Seit Ende 1940 zwangen Stadtverwaltung und Gestapo die Jüd:innen und Juden zum Umzug in die „Judenhäuser“. Schließlich wurden 1942 sämtliche Bewohner:innen des Altenheims in zwei Deportationswellen in das Warschauer Ghetto und nach Theresienstadt sowie von dort in die Vernichtungslager Auschwitz und Treblinka deportiert. Die Stadt Göttingen übernahm das Haus 1943. Nach der Kapitulation 1945 erhoben die jüdische Gemeinde und die Gauß-Weber-Loge Anspruch auf das Haus. Das Landgericht Hannover sprach das Gebäude, gegen eine 8000-DM-Abfindung an die jüdische Gemeinde, der Loge zu. 1968 wurde das Haus zugunsten eines Parkplatzes der Göttinger Universität abgerissen und vergessen.

Deutschlandweit erfahren „Judenhäuser“ erst seit kurzer Zeit öffentliche Aufmerksamkeit: Zum Beispiel erforschten Studierende in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2019 umliegende „Judenhäuser“ und die Stadt Augsburg errichtete 2022 eine erste Gedenktafel für die Bewohner:innen eines „Judenhauses“. In Göttingen erinnert die Gedenkstele seit 2016 an das „Judenhaus“.


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