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Gedenktafeln für die verfolgten und ermordeten Sinti und Jüd:innen

Aus dem Audiowalk In Stein Gemeißelt | Osnabrück

In Stein Gemeißelt
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Gedenktafeln für die verfolgten und ermordeten Sinti und Jüd:innen

Die Denkmäler

Auf dem Osnabrücker Marktplatz, in unmittelbarer Nähe zum historischen Rathaus des Westfälischen Friedens, der Marienkirche und der Stadtbibliothek, befinden sich zwei Gedenktafeln, die an verschiedene Opfergruppen des nationalsozialistischen Regimes erinnern: Die eine ist den verfolgten und ermordeten Osnabrücker Sinti gewidmet, die andere den ermordeten Osnabrücker Jüdinnen und Juden.

Obwohl beide Gedenktafeln feierlich am 8. Mai 1995, 50 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, enthüllt wurden und sie somit mitten im Zentrum der Stadt Osnabrück einen größeren Gedenkort an die Verbrechen der NS-Zeit bilden, sind sie das Ergebnis verschiedener Initiativen. Nachdem die Stadt Osnabrück in den 1980er Jahren damit begonnen hatte, ihre nationalsozialistische Vergangenheit aufzuarbeiten und mit Familien von Überlebenden der NS-Verbrechen in Kontakt zu treten, war 1992 Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, mit dem Vorschlag an den Stadtrat herangetreten, eine Gedenktafel für die ermordeten Osnabrücker Sinti aufstellen zu lassen. Angeregt von der Fernsehjournalistin, Publizistin und Sozialdemokratin Leah Rosh war etwa zeitgleich ein Antrag von der Felix-Nussbaum-Gesellschaft für eine Gedenktafel für die ermordeten Jüdinnen und Juden bei der Stadt Osnabrück eingegangen. Der Stadtrat hatte am 31. Januar 1995 einstimmig die Aufstellung beider Tafeln beschlossen und nach einem Ausschreibungsverfahren die Firma Granit Pufe GmbH mit der Anfertigung beauftragt. Abwechselnd mit dem Mahnmal Augustaschacht in Hasbergen-Ohrbeck stehen die Tafeln im Zentrum der jährlichen Gedenkveranstaltungen für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar.

Die 150cm breite und 233cm hohe Gedenktafel zur Erinnerung an die ermordeten Osnabrücker Sinti befindet sich an der Außenmauer der historischen „Stadtwaage“, dem heutigen Standesamt. Alle 54 der hier verewigten Personen waren Sinti, weshalb die Tafel ausschließlich Angehörigen dieser Gruppe gewidmet ist. 33 der eingravierten Namen stammen aus einem vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma herausgegebenen Gedenkbuch für die in Auschwitz-Birkenau ermordeten Sinti. 21 weitere Namen konnte der Osnabrücker Verein der Sinti und Roma unter Mitwirkung von Angehörigen der Ermordeten zusammentragen. Die Tafel wurde vom damaligen Oberbürgermeister Hans-Jürgen Fip, Max Laubinger und Jonny Schmidt, beide Mitglieder der Vereinigung Osnabrücker Sinti, enthüllt.

Die 161 Namen, die auf der 200cm breiten und 270cm hohen Tafel zur Erinnerung an die ermordeten Jüdinnen und Juden eingraviert sind, entstammen einer 1988 im Erinnerungswerk „Stationen auf dem Weg nach Auschwitz“ von Martina Sellmeyer und Peter Junk enthaltenen Liste von Ermordeten, die ab 1933 für mindestens ein Jahr in Osnabrück gelebt hatten oder von hier deportiert worden waren. Die Jüdische Gemeinde ergänzte diese Liste um Personen, die bereits vor 1933 in andere Städte gezogen und von dort deportiert worden sowie sogenannte „Rassejuden“, die nicht offizielle Mitglieder der Gemeinde gewesen waren, und um ermordete jüdische Patientinnen und Patienten

der Osnabrücker Heil- und Pflegeanstalten. Die Tafel für die ermordeten Osnabrücker Jüdinnen und Juden befindet sich unter den Arkaden gegenüber des Eingangs zur Stadtbibliothek.

Die Ermordung und Diskriminierung der Sinti in Osnabrück

Wie überall im Reich erfuhren Osnabrücker Sinti bereits vor 1933 Ausgrenzung. Das NS-Regime diskriminierte und verfolgte sie als „Zigeuner“ systematisch und ermordete sie in Konzentrationslagern: Von etwa 30.000 Sinti überlebten reichsweit 3.000 den Porajmos.

Obwohl sie schon seit dem 15. Jahrhundert im Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland leben, galten und gelten die Sinti als „Fremde“ und „Zigeuner“, inklusive vieler negativer Stereotype, wie etwa Unsauberkeit, Obdachlosigkeit und Kriminalität. Die ersten drei Jahre nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler stellten insofern keine drastische Verschlechterung der Lage dar, als dass die Behörden bereits vor der sogenannten „Machtergreifung“ existierende Gesetze zur Bekämpfung der „Zigeunerplage“ durchsetzten.

Ab 1936 erfuhren die Sinti in Osnabrück wie im gesamten Reich zunehmende Diskriminierungen. Den örtlichen Sinti wurden keine Wandergewerbescheine mehr ausgestellt und ortsfremde Sinti durften nur noch unter Polizeiaufsicht die Stadtgrenzen überqueren. Mit Heinrich Himmlers „Runderlass zur Bekämpfung der Zigeunerplage“ vom 8. Dezember 1938 nahm die Verfolgung der Sinti einen biologistisch-rassistischen Charakter an. Ab dem 18. März 1939 mussten sich Osnabrücker Sinti kriminalpolizeilich mit erkennungsdienstlichen Fotos und Fingerabdrücken erfassen lassen.

Der „Festsetzungserlass“ vom 17. Oktober 1939 untersagte den Sinti reichsweit, ihren Wohnort ohne Sondergenehmigung zu verlassen. Für die Osnabrücker Sinti bedeutete das, dass viele von ihnen in der als „Asozialensiedlung“ verschrienen Papenhütte, Baracken im heutigen Stadtteil Eversburg, festsaßen. Zusätzlich zwangen die Behörden sie bei schlechterer Versorgung und ständiger polizeilicher Kontrolle zur Arbeit bei Osnabrücker Unternehmen, Heereseinrichtungen oder bei der Stadt.

Am 1. März 1943 nahmen die Behörden auf Basis von Himmlers „Auschwitz-Erlass“ vom 16. Dezember 1942 54 Osnabrücker Sinti fest und deportierten sie nach Auschwitz-Birkenau. Keine und keiner der Verschleppten kehrte zurück.


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