Nachdem wir auf dem Weg vom ehemaligen Gutsfriedhof Richtung Ortszentrum wenige Meter zurückgelegt haben, sehen wir auf der gegenüberliegenden Straßenseite die auffällig dekorierte Fassade eines Tattoo-Studios (Bild1).
„Die Geschichte der Tattoos reicht bis in die Steinzeit zurück, wo frühe Menschen bereits mit dieser Kunstform experimentierten. In der Antike schmückten sich ägyptische Priesterinnen mit Tattoos, während die Römer sie nutzten, um Sklaven und Verbrecher zu kennzeichnen.“ (1)
Indes, die Geschichte dieses Hauses begann vor rund 125 Jahren während der Gründerzeit als Verwaltungsgebäude und als Wohnunterkunft. Die ersten Mieter um 1910 waren die Schöneicher Straßenbahnverwaltung und der Gemeindevorsteher Gustav Heyden. Ihnen folgten als bekannteste Nachnutzer, die Gemeindeverwaltung selbst, eine Milchhandlung, ein Friseur, ein Schneider und ein Münzenmacher. (2)
Die ersten Umbauten erfolgten 1930, als das Erdgeschoss zum Ladengeschäft umgestaltet wurde. (2) Die heute sichtbare Ladentür des „East-Tattoo“ im glänzenden gelblich-goldenen eloxiertem Aluminium dürfte in den 1970-igern Jahren hinzu gekommen sein.
Bis hierhin wäre das alles für sich genommen noch keine Besonderheit, wenn da nicht noch ein Fachwerkaussatz im Dachgeschoss wäre, der in dieser Ausführung nicht häufig zu sehen ist.
Durch ein kleines Fachwerk auf dem zweiten Obergeschoss des Ziegelsteinhauses in der Höhe eines vollen Gefaches, welches auf den Deckenbalken des darunter liegenden ersten Obergeschosses aufsetzt, konnte man die Gauben mit den relativ großen Fenstern nahe an die Hausfront setzten.(Bild 2)
Auf diese Art gewinnt man Platz für mögliche Einliegerwohnungen, die aus dem zweigeschossigen einen 2 ½ geschossigen Bau machen, ohne dass die konstruktiv aufwendige Form eines Mansarden-Dachstuhles benötigt wird (3). Auf die Deckenbalken des Dachgeschosses der „dritten“ Etage schließt sich ein Fachwerk mit durchweg über Kreuz d.h. diagonal angeordneten Balken an ( Bild 3)
Fachwerke mit ausschließlich diagonalen Balken sind äußerst selten, da die klassische Fachwerkbauweise auf einer Kombination aus vertikalen, horizontalen und diagonalen Elementen basiert. Wenn man der Beschreibung der unten aufgeführten Webseite folgt, handelt es sich bei diesem Giebel um eine Kombination aus Warren- und Scheren-Fachwerk. (4)
Bis zu diesem Zeitpunkt ließ sich bei der Recherche kein weiteres Beispiel für ein ausschließlich aus diagonalen Balken errichtetes Fachwerk finden, das mit bis zu vier Gefachen in der Diagonalen versehen ist. (Bild 3)
Wir bleiben auf unserem Weg Richtung Zentrum auf dieser Straßenseite, bis wir rechter Hand ein prächtig restauriertes eingeschossiges Fachwerkgebäude erreichen.
(1) Die Geschichte und Bedeutung von Tattoos | Aktualisiert April 2025
(2) Dr. Wolfgang Cajar Schöneicher Hefte 27
(3) Mansardendach: 10 Vor- und Nachteile | Infos zu Konstruktion und Neigung – Hausgarten.net
(4) 11 unterschiedliche Fachwerksarten und ihre Eigenschaften {2025} - Structural Basics