Richard Serra Ohne Titel
Fremdkörper
Die hervorstehende Kante des unteren und ein seitlich versetzter, leicht schief liegender darauf gelagert. Auf den Punkt genau, dass der obere nicht fällt, und für den unteren die Bürde, nichts zu verändern, kein Vor und Zurück, Maß halten. Eine Sitzgelegenheit im Sommer, ein herrenloses Haustier, ein Hund, in dumpfer Müdigkeit unter dem kleinen Dach, eine McDonald-Box, die am Boden vor sich hin rottet, vergammelte Pommes Frites. Manchmal blitzende Glasscherben. Eine Kinderhand schreibt nach einem Regenguss in die nasse Lache, die sich auf der Fläche sammelt, der Himmel im Fenster eines Tropfens. Danach, in der Hitze, die Hüllen glasiger grüner Käfer. Oder angehäufte Zigarettenkippen wie ein Sehnsuchtsbild von einer uralten Feuerstätte. Winziges Unkraut am Rand des unteren Körpers.
Nutzfläche.
Nichtsnutzfläche. Stimmen, Wortknäuel, tja, was soll man schon dazu sagen, Vorsicht, nicht da draufsetzen, wer hat das denn angeordnet, die stehen jetzt schon so lange da, als wären sie bei uns daheim, Vorsicht, nicht draufsetzen, das färbt ab, was kann denn das für eine Krankheit sein, die sich so am anderen abfärbt. Leider kann man hier keinen Stahl ins Rollen bringen.
Die Körper noch warm, das letzte Auskühlen nach dem Sommerschmelzofen, ihr heißes Mark in zwei Stufen gegossen, die nichts aus der Fassung bringen kann, nichts aus dem Gleichgewicht, sich der Schwerkraft widersetzen, die Statik aushebeln.
Der Geruch von Rost.
Der Geruch von der Hände Arbeit, Schwerstarbeit, in den Minen der Welt, Kohle, Gold, Erz, Chrom, Kupfer, Platin, Manila, Madagaskar, Südafrika, Bangladesch, Bolivien, China, Bottrop, Marl.
Ach so.
Die Körper, was die wollen sollen, können, müssen. Oder nicht dürfen.
Für die einen dieser waghalsige Reiz, der in dem Überhang besteht, sie sagen, wie kann der das, so drüberstehen, ohne umzukippen, ich wäre schon längst umgekippt.
Für die anderen: Stahl, Rost, Oberflächenreize, die implosive Kraft des Materials, ganz simpel, ein komplett gesättigtes System.
Und dann die Sportlichen: Man will die Körper einfach mal packen und am liebsten mit ihnen raufen. Wenn sie nur nicht so eckig wären!
Und dann die: Zwei Stufen! Das ist ja noch nicht mal ein halbes Treppenhaus, wie soll man da vorwärtskommen, nach oben steigen können, die Karriereleiter empor klettern können? (Ist Lästern etwa die neue Treppenhausreinigung?)
Die Süchtigen sind vielleicht die Besten, so voller Empathie, Leidenschaft, sich erst voller Elan einschleichen, aufblitzen, blitzgewittrige Begeisterung für die Sache an sich, dann aber wieder raus aus der Sucht, ausschleichen, und dann homöopathische Bereitstellung von Durchhaltewillen.
Ach so.
Oder vielleicht doch lieber die Sportlichen? Es ringen die Prinzipien mit den Warnungen, die wiederum ringen mit den Diskretionen, die wiederum mit den Verschwörungen, die mit den Verweigerungen, die mit den Zustimmungen, die mit den Symbolismen, die mit den Ismen.
Den Körpern ist das egal.
Dem Unkraut auch.