Geh mal bitte ganz nah an das Laubenganghaus ran.
Wenn du genau hinschaust, siehst du rechts neben der Wohnungstür unter dem Küchenfenster einen löchrigen Ziegelstein. Das ist die Luftzufuhr für das Kühlschränkchen, in dem Lebensmittel gekühlt werden konnten; ganz ohne Strom; ich finde, das ist ein faszinierendes Detail.
Die Bauhäusler suchten – bei aller Sparsamkeit – immer nach innovativen Lösungen, um hohe Hygienestandards und guten Wohnkomfort für die einkommensschwächeren Mieter:innen zu ermöglichen.
Ein weiteres Highlight in dieser Hinsicht war sicher das fortschrittliche Heizungssystem. Anders als die damals üblichen Kachelöfen oder die zum Heizen genutzten Herde ermöglichten die verbauten Etagenheizungen eine effiziente Wärmeverteilung auf alle Räume.
Jede Wohnung hatte im Eingangsbereich einen zentralen Kohle-Heizkessel und einen großen Kohlebunker aus Metall. In allen Zimmern gab es gusseiserne Heizkörper. Ein cleveres Rohrleistungssystem garantierten einen Umlauf des Heizwassers ohne Pumpe.
Für die ersten Mieter:innen, die im Spätsommer 1930 einzogen, muss das echter Luxus gewesen sein.
Angehörige der Arbeiterklasse wohnten auch noch in der Weimarer Republik meist unter sehr schwierigen Bedingungen; es herrschte Wohnungsnot und in den prosperierenden Städten gab es viele Slums. Die Mehrheit lebte in Mietskasernen, in sehr kleinen Wohnungen. Fließendes Wasser, geschweige denn ein Badezimmer gab es meist nicht. In den schlecht beheizten Wohnungen waren Kälte, Schimmel und Ungeziefer normal. Die Toiletten befanden sich entweder im Hof oder im Treppenhaus.
Das Laubenganghaus sollte nun all die modernen Annehmlichkeiten und technischen Neuerungen für die Arbeiter:innenfamilie verfügbar machen.
Wenn Du jetzt nochmal zur Fassade schaust, links neben der Tür, ist das Badezimmer. Dieses war minimalistisch, aber äußerst funktional gestaltet. Es verfügte über ein freistehendes Klosett, ein wandhängendes Keramikwaschbecken, eine eingemauerte, emaillierte Badewanne – und einen gasbetriebenen Durchlauferhitzer der Fa. Junkers – der Stolz der Dessauer Industrie. Warmwasser war jederzeit unkompliziert verfügbar.
Das Badezimmer, der kleine Korridor hinter der Eingangstür und die Küche rechts waren durchgängig mit strapazierfähigem Terrazzo ausgestattet. Wände, Türen und Rahmen waren in einer einheitlichen hellen Farbigkeit gestaltet. Und so wirkten auch diese Räume, die alle Richtung Norden zum Gang hin lagen, Dank der durchdachten Farbwahl, hell und freundlich.
Ergänzt wurde die technische Ausstattung Wohnungen durch hausgemeinschaftlich genutzte Einrichtungen, zwei große Wäsche-Trockenräume im Keller, und das gut ausgestattete Waschhaus mit Wäscheplatz.
Auch im Bereich der medialen Versorgung waren die Laubenganghäuser ihrer Zeit voraus. So gab es eine gemeinschaftliche Antennenanlage, zwei 8 Meter hohe Empfangsmasten hinter dem Haus, mit deren Hilfe der Empfang von Radioprogrammen ermöglicht werden sollte. Dass jede Wohnung einen Antennenanschluss hatte, war ein gehobenes Ausstattungsmerkmal und sehr zukunftsweisend. Das Wohnzimmer, der Empfangsraum für Besucher:innen – sollte nun auch dem Empfang von Rundfunksendungen dienen. Inwieweit Mieter:innen über Radiogeräte verfügten, ist jedoch unklar. Denn die große Zeit des Radios als Massenmedium sollte erst einige Jahre später beginnen – mit dem »Volksempfänger« der Nazis.
Wie dem auch sei, die Ausstattung der Laubenganghäuser zeugt vom ehrgeizigen Anspruch des Bauhauses: Mit begrenzten finanziellen Mitteln sollte moderner Wohnkomfort entstehen. Vom Heizsystem über Badezimmer bis zum Wäschewaschen – jede technische Lösung war durchdacht, und zielte darauf ab, ein wirtschaftliches, hygienisches und komfortables Wohnen für Arbeiter:innen und ihre Familien zu ermöglichen. Die Wohnungen sind eine Materialisierung des Bauhausmottos »Volksbedarf statt Luxusbedarf«.